Familie und Gesellschaft
Deutsch-Tschechisches Symposium im Parlamentsgebäude von Prag am 22.05.2014
Unter der Schirmherrschaft der Kommission für Familienangelegenheiten, Gleiche Chancen und Minderheiten des Parlaments in Tschechien organisierten die UPF-Tschechien, verschiedene tschechische Nicht-Regierungsorganisationen und die UPF-Deutschland eine Konferenz zum Thema "Familie und Gesellschaft". In seiner Eröffnungsansprache betonte Jan Bartosek, stellvertretender Vorsitzender des tschechischen Parlaments, die Bedeutung funktionierender Familien für die Gesellschaft. Familie, so Bartosek, ist zwar immer noch der beste Platz für die Reproduktion des Humankapitals. Sie geht aber in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung noch weit darüber hinaus. Als primärer Ort der Sozialisation hat Familie einen einzigartigen Stellenwert in der Gesellschaft, die durch keine staatliche Institution ersetzt werden könnte.
Martin Horak, Fachreferent der Tschechisch-Deutschen Stiftung für die Zukunft, welche die Konferenz auch finanziell unterstützte, hieß alle Teilnehmer, besonders die aus dem benachbarten Ausland, willkommen: "Familie bedeutet Zukunft. Deshalb unterstützen wir diese Art von Konferenz."Weitere Grußworte kamen von Dr. Juraj Lajda, Vorsitzender der UPF-Tschechien, und Karl-Christian Hausmann, Vorsitzender der UPF-Deutschland. Dr. Lajda betonte, dass die zunehmende Relativierung der Familie und vor allem auch der Familienwerte im Westen von den ehemaligen Ostblockländern einerseits mit großem Argwohn beobachtet wird. Andererseits kann nicht erwartet werden, dass gewisse Neudefinitionen von Familie an der tschechischen Gesellschaft spurlos vorübergehen würden. Man müsse sich in jedem Fall damit auseinandersetzen. Karl-Christian Hausmann stimmte dem zu. Familie wird heute mehr hinterfragt als jemals zuvor, auch im Europäischen Parlament. Manche Akademiker und Politiker sind der Meinung, dass sich der Staat besser um Kinder kümmern könnte als die eigenen Eltern und machen dementsprechend Politik.
Probleme der Familie von heute
Dr. Jeronym Klimes, ein in der Tschechei bekannter Psychologe und Spezialist in Fragen Scheidung und Adoption von Kindern, beklagte eine wachsende Haltung der Ablehnung von Kindern bei jungen Paaren. Man orientiert sich gerne am westlichen Nachbar, der vorlebt, wie kinderlose Partnerschaft anscheinend zur ungebundenen Selbstentfaltung beträgt. Wenn dann die Erkenntnis kommt, dass man doch etwas wichtiges im Leben vermisst, nämlich eigene Kinder haben und zu erziehen, ist es oft schon zu spät.Dr. Stefan Fuchs vom Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V., ging der Frage nach, wer in Zukunft die Kinder erziehen werde, der Staat oder die eigenen Eltern. Er stellte das System "Familialismus" dem des "Myrdalismus" (seine eigene Wortschöpfung, nach Alva Myrdal, langjährige Leiterin des Sozialpädagogischen Seminars in Stockholm). Während "Familisten" Elternrechte stärken wollen und Ehe und intakte Familien als Kern der Sozialordnung wahrnehmen, wollen "Myrdalisten" die Erziehungsverantwortung dem Staat übertragen, so dass beide Elternteile unabhängig voneinander in vollem Umfang ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Soziale Leistungen, wie Kinderbetreuung, Erziehung, aber auch eheliche Fürsorge und die Fürsorge für die eigenen Eltern, werden auf diese Weise vollständig aus dem Familienverband herausgelöst und dem Staat als eine Art "Übervater" übertragen. Es ist äußerst fraglich, so Fuchs, ob dieses Modell wünschenswert, zielführend oder auch nur bezahlbar ist.
Die Bedeutung der Familie für die Gesellschaft
Helena Klimava, Vizepräsident des Rafael Instituts und selbst Holocaust-Überlebende, sprach über die heilende Wirkung der intakten Familie. Selbst Horrorerlebnisse wie die Erfahrung des Holocausts können im Familienverband aufgearbeitet und überwunden werden. Die eigenen Kinder und Enkelkinder sind wie Balsam für die verwundete Seele und tragen mehr zur Heilung bei, als das professionell geschulte Personal jemals leisten könnte. Darüber hinaus ist elterliche Fürsorge für eine stabile Entwicklung des Kindes von größter Bedeutung und kann durch keine, noch so gute, staatliche Institution ersetzt werden.
Dr. Roman Joch, Direktor des Zivilinstituts Prag, bezeichnete die Familie als Schule zum Erlernen von Freiheit in Eigenverantwortung, wirtschaftlicher Unabhängigkeit und für eine liebevolle Einführung in Kultur und Umgangsformen der Gesellschaft.
Letzte Sprecherin in dieser Runde war Gisela Münster aus München von der Organisation "Wir sind Kirche". Die katholische Kirche, so Frau Münster, sollte sich vom klassischen Familienbild, bei dem der Vater alleiniger Unterhaltsbeschaffer und die Mutter für Haushalt und Kinder zuständig ist, verabschieden. In der Realität der heutigen Familien sind diese Rollen frei austauschbar und werden oft von beiden Ehepartnern gleichermaßen wahrgenommen. Der neue Papst Franziskus habe das erkannt und dazu Studien in Auftrag gegeben.
Ehe und Elternschaft
Dr. Jana Jochova, Vizepräsidentin für das Komitee für die Verteidigung elterlicher Rechte, berichtete von ihren eigenen Erfahrungen mit einem Sexualkundeunterreicht in den Schulen, beeinflusst von den Ideen des gender mainstreaming. Eltern hatten sich gegen eine Unterrichtsmethodik erfolgreich zur Wehr gesetzt, bei der Schüler üben sollten, wie Präservative richtig über Holzpenisse gezogen werden. Sexualerziehung jenseits biologischer Funktionen, vor allem was Werte und Normen betreffe, sei in erster Linie Aufgabe und Verantwortung der Eltern und nicht der Schule.Hildegard Piepenburg, Leiterin der Familienabteilung der UPF-Deutschland, sprach sich gegen eine schleichende Übernahme elterlicher Pflichten und Rechte durch staatliche Institutionen aus. Was Kinderpsychologen schon längst erkannt haben, dass nämlich bei Kindern unter einem Alter von 3 Jahren die Bindung zu den Eltern für die Entwicklung entscheidend ist und nicht institutionelle "Bildungsangebote", wird von vielen Politikern immer noch absichtlich oder unabsichtlich ausgeblendet. Stattdessen beruft man sich auf die Problematik einzelner sozialschwacher Familien, meist mit Migrationshintergrund, um staatliche Eingriffe bis hin ins Säuglingsalter zu rechtfertigen.
Dan Drapal, Vizevorsitzender des William Wilberforce Instituts in Prag, war der letzte Redner in dieser Runde. Das traditionelle Rollenverständnis von Vater und Mutter wird heute in Frage gestellt. Tatsache ist aber auch, dass Väter nun mal keine Kinder stillen können. Eine alleinerziehende Mutter wird niemals den Vater ersetzen können. Väter und Mütter haben unterschiedliche Rollen in der Kindererziehung. Deshalb sind beide für eine erfolgreiche Erziehungsarbeit unabkömmlich.
Familie und Medien
In dieser letzten Runde verglich Dr. Michaela Freiova, Chefeditor für das Magazin Res Claritatis, das vom Westen in den 90er Jahren importierte Familienverständnis mit dem in Zeiten des Kommunismus. Unter dem Kommunismus war nur derjenige Mensch wertvoll, der bezahlte Arbeit leistete, egal ob Mann oder Frau. Kinder werden dabei eher als notwendiges Übel betrachtet, die man nach der Geburt so schnell wie möglich in staatliche Obhut übergeben sollte, um wieder "wertvolle Arbeit" leisten zu können. Freiova bezeichnet ähnliche Tendenzen in der westlichen Welt als eine Art Neo-Marxismus, der dann auch auf die ehemaligen Ostblockländer übergreife. Man müsse diesem Trend mit aller Entschiedenheit entgegenwirken.Birgit Kelle, Initiatorin der Initiative Frau 2000plus, sprach über ihre Erfahrungen als freischaffende Journalistin. Die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen leben nicht in klassischen Familienstrukturen und sind deshalb auch nicht für die Bevölkerung repräsentativ. Viele Journalistinnen vertreten sogar einen kämpferischen Feminismus. In ihrem Anliegen, die klassische Familie, die als falsch und rückständig empfunden wird, zu überwinden, werden gern Beispiele von anscheinend erfolgreichen patchwork Familien oder Alleinerziehenden gebracht, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, dass ja vor diesen Konstellationen zunächst mal ein oder mehrere gescheiterte Ehen stehen. Frauen gehen Ehen ein, weil sie eine stabile Partnerschaft suchen, und nicht mit der Absicht, eines Tages alleinerziehende Mutter zu werden. Jugendstudien aller Art belegen darüber hinaus, dass für junge Menschen der Wunsch nach einer festen Partnerschaft mit leiblichen Kindern immer noch an erster Stelle steht.
Das Besondere dieser Konferenz war die gute Zusammenarbeit zwischen der tschechischen und der deutschen UPF. Zahlreiche andere tschechische NGOs, die ebenfalls ein starkes Interesse an diesem Thema haben, sind dazugekommen. Das tschechische Parlament bot dafür einen würdigen Rahmen.
Dr. Juraj Lajda
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PDF-Dokumente
Grußwort von Karl-Christian Hausmann
Redebeitrag von Birgit Kelle ("Ist die traditionelle Familie ein Auslaufmodell?")
Redebeitrag von Dr. Stefan Fuchs ("Familialismus versus Myrdalismus - wieviel Staat braucht Familie?")
Redebeitrag von Hildegard Piepenburg ("Familie im Wertewandel")
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